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Urheberstrafrecht

vhb-Kursdemo, Prof. Dr. Robert Esser

Onglets

Herzlich Willkommen in der Kursdemo zur Online-Vorlesung
Urheberstrafrecht und Strafrecht der gewerblichen Schutzrechte!

Kurserstellung und -betreuung: Lehrstuhl Prof. Dr. Robert Esser

§ 1: Vorbemerkungen zum Urheberstrafrecht

I. Allgemeines

In diesem ersten Abschnitt zum Urheberstrafrecht soll ein Überblick über die Materie vermittelt werden. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass es sich beim Urheber(straf)recht um eine durchaus anspruchsvolle Rechtsmaterie handelt.

Das Urheberrecht dient, ganz allgemein gesprochen, dem Schutz des geistigen Eigentums. Neben dem Urheberrecht fallen noch zahlreiche weitere Rechtsgebiete unter diesen Oberbegriff, einige bekannte sind die gewerblichen Schutzrechte:
  •   Patentrecht
  •   Gebrauchsmusterrecht
  •   Markenrecht
  •   Designrecht (früher: Geschmacksmusterrecht)
Die einschlägigen Straftatbestände dieser Bereiche werden Sie im Rahmen dieses Kurses später noch genauer kennenlernen. Dieses Kapitel soll jedoch einer ersten Annäherung und Eingrenzung der Materie dienen.

Das Urheberstrafrecht zeichnet sich vor allem durch eine starke Zivilrechtsakzessorietät aus. Viele Strafvorschriften sind als Blanketttatbestände ausgestaltet, die erst durch Kenntnis der zivilrechtlichen Vorgaben des Urheberrechts mit Inhalt gefüllt werden können. Es ist daher häufig unabdingbar, für die Beantwortung strafrechtlicher Fragen auch Kenntnis von den zivilrechtlichen Vorgaben des Urheberrechts zu haben.

Die meisten Regelungen zum Urheberrecht finden sich im Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz; UrhG) vom 9. September 1965 (Schönfelder Nr. 65). Die im Rahmen dieser Onlinevorlesung relevanten Vorschriften über das Urheberstrafrecht finden sich in den §§ 106 bis 111a UrhG (Unterabschnitt: Straf- und Bußgeldvorschriften). Das Urheberstrafrecht gehört damit zum Nebenstrafrecht.

Geschütztes Rechtsgut ist bei den §§ 106 ff. UrhG stets das Verwertungsrecht des Rechteinhabers. Die einzige Ausnahme hiervon stellt § 107 UrhG dar, der dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts dient. Die Straftaten des Urheberstrafrechts schützen damit speziell die urheberrechtlichen Verwertungsbefugnisse der Rechteinhaber. Darin unterscheiden sie sich von den Straftatbeständen des StGB, die regelmäßig deutlich weiter gefasste Rechtsgüter schützen. Sofern sich aus den geschützten Rechtsgütern beachtenswerte Besonderheiten ergeben, wird hierauf nachfolgend im Rahmen der Behandlung der einzelnen Straftatbestände vertiefend eingegangen.

Alle Straftaten des Urheberstrafrechts stellen Vergehen im Sinne von § 12 Abs. 2 StGB dar, da sie im Mindestmaß mit Freiheitsstrafen von unter einem Jahr bedroht sind. Die Delikte sind reine Vorsatzdelikte, eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 15 StGB) kennt das UrhG nicht. Mit Ausnahme von § 108b UrhG stellen alle Straftatbestände des UrhG auch den Versuch unter Strafe.

II. Systematik der Straf- und Bußgeldvorschriften des UrhG

Die nachfolgende Grafik soll dazu dienen, einen ersten Überblick über die Systematik der zum Urheberstrafrecht gehörenden Straftatbestände zu vermitteln.
Wie zu erkennen ist, wird der strafrechtliche Schutz der §§ 106 ff. UrhG durch die Bußgeldvorschrift des § 111a UrhG flankiert. Sie dient sowohl der Ergänzung des Straftatbestandes des § 108b UrhG als auch (wie dieser selbst) darüber hinaus der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben.

Zunächst sollen der Behandlung der einzelnen Straftatbestände nun einige (v.a. strafverfahrensrechtliche) Besonderheiten vorangestellt werden, die alle Delikte des Urheberstrafrechts gleichermaßen betreffen. Durch dieses „vor die Klammer ziehen“ lassen sich Doppelausführungen vermeiden.

III. Entwicklung des Urheberstrafrechts

Während das Urheberstrafrecht lange Zeit ein Schattendasein fristete und kaum praktische Relevanz entfaltete, kam es Mitte der 1980er Jahre zu einer wahren Renaissance, die mit einem großen Bedeutungsgewinn für die Materie einherging. Anlass dafür war die voranschreitende technische Entwicklung: neue Kopiertechniken ermöglichten es fortan auf einfache Weise jedermann, urheberrechtlich geschütztes Material zu vervielfältigen. Symbolisch dafür ist der Einzug der Video- und Kassettenrekorder in Privathaushalte während dieser Zeit. Von nun ab war es quasi jedermann ohne große Mühe möglich, qualitativ hochwertige Kopien von Filmen, Musikkassetten und anderen Speichermedien herzustellen. Die Zahl der Raubkopien stieg damit sprunghaft an, was (bis heute) die Musik- und Filmindustrie schwer trifft und beträchtliche Umsatzeinbußen verursacht.

Berücksichtigt man diese Entwicklung, überrascht es nicht, dass der Gesetzgeber Mitte der 1980er Jahre reagierte: Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24.6.1985 führte er den Qualifikationstatbestand des § 108a UrhG für gewerbsmäßiges Handeln ein. Damit war das erste (und bis heute einzige) Offizialdelikt des UrhG geschaffen. Auch wurde erstmals eine Versuchsstrafbarkeit normiert.

Das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7.3.1990 führte diesen Trend zu einer Schärfung des Urheberstrafrechts fort. Neben einer Anhebung der möglichen Höhe der Freiheitsstrafe bei §§ 106, 107 und 108 UrhG von einem auf drei Jahre wurde auch die Versuchsstrafbarkeit deutlich ausgeweitet.

Durch das Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003 wurden schließlich sowohl die Strafvorschrift des § 108b UrhG als auch der Bußgeldtatbestand des § 111a UrhG neu in das Gesetz eingefügt.  

IV. Anwendbarkeit des deutschen Urheber(straf)rechts

Straftaten nach dem UrhG können von deutschen Strafgerichten nur dann verfolgt werden, wenn deren Zuständigkeit begründet ist. Das Urheberrecht hält hier einige Besonderheiten vor, die zu einer (im Vergleich zu den Delikten des StGB) stark eingeschränkten Zuständigkeit deutscher Strafgerichte führen.

Um dies zu illustrieren, soll zunächst kurz das allgemeine Strafanwendungsrecht des StGB dargestellt werden. Dieses speist sich, wie nachfolgende Grafik veranschaulichen soll, aus verschiedenen Theorien:
Das Urheberrecht ist demgegenüber international vom Territorialitätsprinzip beherrscht. Fast alle Länder beschränken ihren Immaterialgüterschutz auf dieses Prinzip. Dies fußt darin, dass die Geltung von Immaterialgüterrechten grundsätzlich auf das jeweilige Staatsgebiet beschränkt sein soll. Bei Marken oder Patenten wird dies besonders deutlich: diese werden bei einer (zumeist nationalen) Behörde eingetragen, woraufhin die exklusiven Nutzungsrechte dem Rechteinhaber zustehen. Die Eintragung erfolgt dabei nach dem Windhundprinzip (first come first served). Geistiges Eigentum wird somit in der Regel nur national geschützt. Ein weltweit einheitlicher Schutz für geistiges Eigentum existiert nicht. Es wird in diesem Zusammenhang auch vom Schutzlandprinzip gesprochen.

Für das Nebenstrafrecht, und so auch für die Straftaten nach dem UrhG, gelten die Regelungen des Allgemeinen Teils des StGB, soweit darin keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Somit finden prinzipiell auch die §§ 3 ff. StGB im UrhG vollumfänglich Anwendung.

Tatsächlich werden diese Vorschriften jedoch weitgehend durch die Anwendungsbestimmungen im 5. Teil des UrhG verdrängt. Die §§ 120 ff. UrhG treffen Regelungen, die den Anwendungsbereich des Urheberstrafrechts so einschränken, dass von einem strengen Territorialitätsprinzip des Urheberrechts gesprochen wird

Diese Beschränkung des Urheberrechts auf das Territorialitätsprinzip kommt (zivilrechtlich) auch in Art. 8 der ROM-II-Verordnung zum Ausdruck:
Artikel 8 Rom-II-VO: Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

(1) Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums ist das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird.
(2) Bei außervertraglichen Schuldverhältnissen aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums ist auf Fragen, die nicht unter den einschlägigen Rechtsakt der Gemeinschaft fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde.
(3) Von dem nach diesem Artikel anzuwendenden Recht kann nicht durch eine Vereinbarung nach Artikel 14 abgewichen werden.
Insbesondere bei der Bewertung von Straftaten, die im Internet begangen werden, stößt das Territorialitätsprinzip auf Schwierigkeiten, die bislang weitgehend ungelöst sind. Die Cybercrime Convention des Europarates verpflichtet die Staaten, durch die Schaffung von Straftatbeständen der Verletzung von geistigem Eigentum zu begegnen:
Artikel 10 Cybercrime Convention: Straftaten in Zusammenhang mit Verletzungen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte

(1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um Urheberrechtsverletzungen, wie sie im Recht dieser Vertragspartei aufgrund ihrer Verpflichtungen nach der Pariser Fassung der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 24. Juli 1971, dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums und dem WIPO-Urheberrechtsvertrag festgelegt sind, mit Ausnahme der nach diesen Übereinkünften verliehenen Urheberpersönlichkeitsrechte, wenn diese Handlungen vorsätzlich, in gewerbsmäßigem Umfang und mittels eines Computersystems begangen werden, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
(2) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um Verletzungen verwandter Schutzrechte, wie sie im Recht dieser Vertragspartei aufgrund ihrer Verpflichtungen nach dem Internationalen Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen (Abkommen von Rom), dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums und dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger festgelegt sind, mit Ausnahme der nach diesen Übereinkünften verliehenen Urheberpersönlichkeitsrechte, wenn diese Handlungen vorsätzlich, in gewerbsmäßigem Umfang und mittels eines Computersystems begangen werden, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben.
(3) Eine Vertragspartei kann sich das Recht vorbehalten, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach den Absätzen 1 und 2 unter einer begrenzten Zahl von Umständen nicht vorzusehen, sofern andere wirksame Abhilfen zur Verfügung stehen und dieser Vorbehalt die internationalen Verpflichtungen dieser Vertragspartei aus den in den Absätzen 1 und 2 genannten völkerrechtlichen Übereinkünften nicht beeinträchtigt.

[Ende der Kursdemo]

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